Die elektronische Patientenakte und das Einsichts- und Kopierecht des Patienten nach § 630g BGB – Änderungen durch das Digital-Gesetz

Alexander Adam

1. Das Digital-Gesetz

Am 14.12.2023 hat der Bundestag das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) in der Fassung des Ausschusses für Gesundheit (BT-Drs. 20/9788) beschlossen. Dieses wurde am 02.02.2024 ohne eine Anrufung des Vermittlungsausschusses auch vom Bundesrat bestätigt und ist nunmehr am 26.03.2024 in Kraft getreten (siehe hierzu BGBl. 2024 I Nr. 101 vom 25.03.2024). Durch das DigiG wird die bereits bestehende elektronische Patientenakte (ePA), welche von den gesetzlichen Krankenkassen zur Verfügung gestellt werden muss, zu einem sogenannten „Opt-Out“ System umgestellt. Die Versicherten sollen daher im Rahmen der „ePA für alle“ ab dem 15.01.2025 eine ePA zur Verfügung gestellt bekommen, sofern sie dem nicht widersprochen haben. So ist damit zu rechnen, dass ein beachtlicher Teil der Versicherten die ePA nutzen wird.

2. Neuerungen in Bezug auf § 630g BGB

Das DigiG erlegt insbesondere den Vertragsärzten und den Leistungserbringern in zugelassenen Krankenhäusern einige neue Pflichten zur Befüllung der ePA und der Aufklärung der Versicherten über deren Möglichkeiten zum Widerspruch gegen die Befüllung der ePA sowie deren Möglichkeiten die ePA mit speziellen Daten zu befüllen, auf. 

Eine besonders umfassende Pflicht ergibt sich aus den §§ 347 Abs. 5 und 348 Abs. 5 SGB V n.F. (siehe hierzu BGBl. 2024 I Nr. 101 S. 25 f.). Danach müssen Vertragsärzte und die Leistungserbringer in zugelassenen Krankenhäusern auf Verlangen der Versicherten elektronische Abschriften der Patientenakte nach § 630g Abs. 2 S. 1 BGB in die ePA übermitteln und dort speichern. Hierfür müssen die Versicherten explizit in die Übermittlung und Speicherung ihrer Daten einwilligen. Die erteilte Einwilligung muss sodann nachprüfbar in der Behandlungsdokumentation protokolliert werden. Im Unterschied zu den weiteren Pflichten der Behandelnden zur Befüllung der ePA muss jedoch nicht auf das Recht des Versicherten zur Übermittlung und Speicherung seiner Patientenakte in die ePA hingewiesen werden.

Dem Verlangen des Patienten kann ausnahmsweise nicht entsprochen werden, wenn andere Rechtsvorschriften der Übermittlung und Speicherung nicht entgegenstehen. 

Eine solche entgegenstehende Rechtsvorschrift ist insbesondere in § 630g Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen. Damit kann die Übermittlung und Speicherung der Patientenakte im Sinne von § 630g Abs. 2 S. 1 BGB verweigert werden, wenn erhebliche therapeutische Gründe oder sonstige erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen. Erhebliche therapeutische Gründe sind anzunehmen, wenn die Gefahr einer erheblichen Selbst- oder Fremdschädigung des Patienten besteht. Ein praktisch relevanter Fall entgegenstehender Rechte Dritter liegt etwa vor, wenn die Eltern eines minderjährigen Patienten in dessen Behandlung einbezogen werden und dabei persönliche Informationen preisgeben. In diesen Fällen kann das Interesse der Eltern am Schutz ihrer Daten gegenüber dem Recht des Patienten überwiegen. 

Bezüglich minderjähriger Patienten ist dabei auch zu beachten, dass diese nunmehr ab Vollendung des 15. Lebensjahres ihre ePA nutzen können und damit auch die Übermittlung und Speicherung ihrer Patientenakte in diese verlangen können (siehe: BT-Drs. 20/9788 S. 49 § 341). 

Ob die Übermittlung und Speicherung der Patientenakte in die ePA bei Vorliegen entgegenstehender Gründe oder Rechte Dritter vollständig oder nur teilweise verweigert werden kann – nämlich beispielsweise nur mit Blick auf diejenigen Teile, die Informationen über Dritte enthalten – hat der Gesetzgeber offengelassen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in solchen Fällen lediglich die Übermittlung und Speicherung der betreffenden Teile der Patientenakte in die ePA verweigert werden kann.

Die Neuregelungen durch das DigiG nehmen außerdem keinen Bezug auf die Kostentragungsregelung des § 630g Abs. 2 S. 2 BGB. Hierbei ist jedoch anzunehmen, dass der Gesetzgeber keine Kostentragung des Patienten für die Übermittlung und Speicherung einer elektronischen Abschrift seiner Patientenakte in die ePA vorsehen wollte. Damit ist die Übermittlung und Speicherung der Patientenakte in die ePA kostenfrei vorzunehmen, sofern nicht im Rahmen des EBM entsprechende Gebührentatbestände geschaffen.

3. Fazit

Mit Inkrafttreten des DigiG hat der Gesetzgeber den Patienten bezüglich § 630g BGB ein bedeutsames neues Recht an die Hand gegeben. Da nunmehr im Rahmen der „ePA für alle“ voraussichtlich ein Großteil der Versicherten eine ePA erhalten wird ist davon auszugehen, dass auch die Rechte des Patienten nach den §§ 347 Abs. 5 und 348 Abs. 5 SGB V n.F vermehrt geltend gemacht werden, so dass den Patienten eine elektronische Abschrift ihrer Patientenakte für die Patienten kostenfrei auf deren Versichertenkarte zur Verfügung zu stellen ist.