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Wahlärztliche Leistungen und persönliche Leistungspflicht des Chefarztes

Aus Anlass eines Urteils des Amtsgerichts Neuss vom 05.04.2023 – 85 C 368/22 – skizziert Rechtsanwalt Dr. Bernhard Debong im nachfolgenden die Anforderungen an die persönliche Leistungspflicht des Chefarztes als Wahlarzt. Zugleich wird auf mögliche Konsequenzen bei Verstößen gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung hingewiesen.

1. Der vom Amtsgericht Neuss entschiedene Sachverhalt

Dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 05.04.2023 lag ein Streit über die Frage zugrunde, wie weit die Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung eines Chefarztes als Wahlarzt bei der Erbringung psychiatrischer und psychotherapeutischer Leistungen, insbesondere bei Ergotherapien und Gruppentherapien reichen.

2. Delegationsfähigkeit gesondert berechenbarer wahlärztlicher Leistungen?

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ kann der Arzt nicht nur die selbst erbrachten sondern auch die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbrachten Leistungen als eigene Leistungen berechnen. In Satz 3 dieser Bestimmung werden jedoch die dort aufgeführten Leistungen, nämlich Leistungen nach Nummern 1 bis 62 des Gebührenverzeichnisses innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme und innerhalb von 24 Stunden vor der Entlassung sowie Visiten nach den Nummern 45 und 46 des Gebührenverzeichnisses und Leistungen nach den Nummern 56, 200, 250, 250 a, 252, 271 und 272 des Gebührenverzeichnisses während der gesamten Dauer des stationären Aufenthaltes von der Berechnungsfähigkeit als wahlärztliche Leistungen ausgenommen, wenn diese nicht durch den Wahlarzt oder dessen vor Abschluss des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht worden sind.

Aus dieser Regelung kann und darf aber nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass alle übrigen Leistungen für den Wahlarzt delegationsfähig wären. Denn für die Wahlleistungsvereinbarung ist kennzeichnend, dass der Wahlleistungspatient sich die gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistungen (zu den allgemeinen Krankenhausleistungen) „hinzukauft“ (so BGH, Urteil vom 22.12.1992 – VI ZR 341/91 – ständige Rechtsprechung). Hieraus ergibt sich eine Einschränkung der zulässigen Delegationsmöglichkeiten dahin, dass der Wahlarzt die seine Disziplin prägende Kernleistung persönlich erbringen und durch sein eigenes Tätigwerden der wahlärztlichen Behandlung sein persönliches Gepräge geben muss.

Dies bedeutet beispielsweise, dass in den operativen Fächern der Wahlarzt jedenfalls die Operation selbst vornehmen, der Anästhesist als Wahlarzt die Narkoseführung persönlich übernehmen und der konservativ tätige Internist vergleichbar dem Wahlarzt in der Fachrichtung Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik das Behandlungskonzept seiner Wahlleistungspatienten entwickeln und überwachen, selbst regelmäßig Therapiemaßnahmen durchführen und die Therapie im Übrigen durch Supervisionen, Nachbesprechungen und Übergabegespräche koordinieren und steuern muss (so auch zutreffend AG Neuss im hier besprochenen Urteil mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung).

3. Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung auch ohne Liquidationsrecht?

Chefärzte übernehmen in ihren Dienstverträgen regelmäßig die Pflicht zur Behandlung auch der stationären Wahlleistungspatienten. Die vorstehend skizzierte Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung bei der Behandlung von Wahlleistungspatienten obliegt daher dem Chefarzt als arbeitsrechtliche Verpflichtung gegenüber dem Krankenhausträger unabhängig davon, ob der Chefarzt die Wahlleistung selbst liquidiert, an den entsprechenden Einnahmen des Krankenhausträgers beteiligt wird (sog. Beteiligungsvergütung) oder ausschließlich eine feste Vergütung erhält. Verstöße gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung bei der Behandlung von Wahlleistungspatienten können daher zugleich eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstellen und vom Krankenhausträger bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses geahndet werden.

4. Das Urteil des Amtsgerichts Neuss

Im entschiedenen Fall hat es das Amtsgericht nicht ausreichen lassen, dass der Wahlarzt täglich die Station besucht und jeden einzelnen Patienten mit dem gesamten Ärzte- und Psychologenteam besprochen hat sowie das therapeutische Konzept individuell für jeden einzelnen Patienten persönlich entworfen und dauerhaft und eng überwacht hat. Es war nämlich auch aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen nicht ersichtlich, wann der Wahlarzt selbst Einzeltherapien durchgeführt hat und welche Qualifikation die Ärzte hatten, an die Aufgaben delegiert wurden. Auch war nicht ersichtlich, dass der Wahlarzt nahezu täglich Kontakt zu der Wahlleistungspatientin hatte.

Bei den Ergotherapien war aus dem Vortrag der Klagepartei auch nicht ersichtlich, inwieweit der Wahlarzt über die Anordnung hinaus tätig wurde. Bei den Gruppentherapien konnte das Amtsgericht weder die Durchführung durch den Wahlarzt noch deren Koordination und/oder Steuerung durch Supervisionen, Nachbesprechungen und Übergabegespräche feststellen.

5. Fazit

Im Rahmen der Behandlung von Wahlleistungspatienten sind die zulässigen Delegationsmöglichkeiten stark eingeschränkt. Im Honorarprozess kommt es für die Durchsetzung des Anspruchs auf das Wahlarzthonorar aber auch darauf an, dass Krankenhausträger und/oder Wahlarzt den ihnen obliegenden Beweis der persönlichen Leistungserbringung erbringen können. Dies kann in der Regel nur mit einer sorgfältigen Dokumentation der vom Wahlarzt persönlich erbrachten Leistungen gelingen. Hieran ist die auf die Zahlung des Wahlarzthonorars gerichtete Klage in dem vom Arbeitsgericht Neuss entschiedenen Fall – bis auf einige wenige unstreitige Leistungen – gescheitert.