Rechtliche Probleme und Lösungen
RA Dr. Bernhard Debong
Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen (§ 95 Absatz 1 Satz 2 SGB V). Der ärztliche Leiter muss in dem MVZ selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei (§ 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Im nachfolgenden werden im praktischen Alltag häufig auftretende rechtliche Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten in Bezug auf die ärztliche Leitung Medizinischer Versorgungszentren aufgezeigt.
Wer kann ärztlicher Leiter sein?
Ärztlicher Leiter kann grundsätzlich jeder im MVZ als angestellter Arzt/angestellte Ärztin oder als Vertragsarzt/Vertragsärztin tätiger Arzt/tätige Ärztin sein. Sind in einem MVZ Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen z.B. Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich.
Ein oder mehrere ärztliche Leiter?
Das Gesetz spricht in § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V von dem ärztlichen Leiter im Singular. Hieraus und im Umkehrschluss aus der Regelung über die kooperative Leitung (nur) im MVZ mit unterschiedlichen Berufsgruppen ließe sich schlussfolgern, dass immer nur ein ärztlicher Leiter bestellt werden könne. Dies wird jedoch nicht von allen Zulassungsausschüssen so gesehen, weil praktische Bedürfnisse – etwa bei einem unvorhergesehenen Ausfall des ärztlichen Leiters wegen Krankheit oder Tod – für die Bestellung eines weiteren ärztlichen Leiters, zumindest eines Stellvertreters sprechen.
Vertragliche Vereinbarungen mit ärztlichen Leitern
Die Verpflichtung zur Übernahme der ärztlichen Leitung des MVZ kann entweder im Anstellungsvertrag oder in einem gesonderten Vertrag über die ärztliche Leitung vereinbart werden. Grundsätzlich herrscht hinsichtlich der inhaltlichen Vereinbarungen mit dem ärztlichen Leiter eines MVZ Vertragsfreiheit. Gewährleistet sein muss lediglich, dass dem ärztlichen Leiter die für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe sowie zur Wahrnehmung der Gesamtverantwortung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung notwendigen Befugnisse eingeräumt werden. Geschäftsführungsbefugnisse braucht der ärztliche Leiter dagegen nicht zu haben, sie können ihm im Rahmen der Vertragsfreiheit aber eingeräumt werden.
Rechte und Pflichten des ärztlichen Leiters
Vertragsarztrechtlich trägt der ärztliche Leiter die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe sowie die Gesamtverantwortung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung für die Einhaltung der vertragsarztrechtlichen Bestimmungen im MVZ. Dazu gehört auch sicherzustellen, dass die im MVZ tätigen ärztlichen Leistungserbringer in ihrer Tätigkeit keinen Weisungen von Nichtärzten unterworfen sind.
Präzisierungen der vertragsarztrechtlichen Pflichten des ärztlichen Leiters können sich aus dem Honorarverteilungsmaßstab der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung ergeben. So ist in den Honorarverteilungsmaßstäben regelmäßig geregelt, dass die von dem MVZ einzureichenden Abrechnungssammelerklärungen vom ärztlichen Leiter – und nicht etwa vom Geschäftsführer – des MVZ zu unterzeichnen sind. Im Falle einer vom MVZ-Geschäftsführer statt vom ärztlichen Leiter unterschriebenen Abrechnungssammelerklärung hat das Bundessozialgericht eine Honorarrückforderung einer Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von rund 136.000 Euro als rechtmäßig erachtet (Urteil vom 13.12.2023 – B 6 KA 15/22 R –).
Arbeitsvertraglich können dem ärztlichen Leiter darüber hinaus weitergehende Rechte und Pflichten übertragen werden.
Abberufung und Kündigung des ärztlichen Leiters
Auch hier ist zwischen der vertragsarztrechtlichen Situation einerseits und der arbeitsrechtlichen Situation andererseits zu unterscheiden. Vertragsarztrechtlich kann das MVZ die Person des ärztlichen Leiters durch entsprechende Mitteilung an den Zulassungsausschuss jederzeit ändern. Der Zulassungsausschuss stellt dann den Wechsel der ärztlichen Leitung vom bisherigen ärztlichen Leiter auf den neu benannten ärztlichen Leiter förmlich fest. Ob dagegen eine Ärztin/ein Arzt, die/der zum ärztlichen Leiter bestellt worden ist, von dieser Funktion abberufen werden kann oder die der Bestellung zum ärztlichen Leiter zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen gekündigt werden können, beurteilt sich nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten. Dies gilt spiegelbildlich für einen etwaigen Anspruch auf Beschäftigung als ärztlicher Leiter im MVZ.
Gibt es eine „Nachbesetzungsfrist“?
Ein Medizinisches Versorgungszentrum, das keinen ärztlichen Leiter (mehr) hätte, wäre nicht zulassungsfähig. Gibt es auch keinen Vertreter für den abwesenden ärztlichen Leiter, droht dem MVZ nach Ablauf von 6 Monaten die Zulassungsentziehung (§ 95 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Für jeden Träger eines MVZ ist es daher von essenzieller Bedeutung, in den Verträgen mit den im MVZ tätigen Ärzten die grundsätzliche Verpflichtung zur Übernahme der ärztlichen Leitung des MVZ verankert zu haben.
Haftung und Versicherungsschutz
Der ärztliche Leiter eines MVZ haftet für die ordnungsgemäße Erfüllung der von ihm übernommenen Pflichten, nicht aber für etwaige Behandlungsfehler seiner im MVZ tätigen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen. Weist ihm die Kassenärztliche Vereinigung eine Verletzung vertragsarztrechtlicher Pflichten nach, kann dies auch disziplinarisch geahndet werden.
Erleidet das MVZ durch eine schuldhafte Pflichtverletzung des im MVZ angestellten ärztlichen Leiters einen Schaden, haftet der ärztliche Leiter für diesen Schaden nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung nur eingeschränkt. Gleichwohl ist der Abschluss einer sog. D & O- Versicherung, die auch den ärztlichen Leiter in den Versicherungsschutz einbezieht, empfehlenswert.