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Vertretung des Wahlarztes nach Inkrafttreten der neuen GOÄ

Rechtsanwalt Dr. Bernhard Debong skizziert im nachfolgenden die beabsichtigten Neuregelungen zur Vertretung des Wahlarztes bei der Behandlung von Wahlleistungspatienten.

1. Die derzeit geltende GOÄ
Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in der derzeit (noch) geltenden Fassung vom 12.11.1982, zuletzt geändert am 19.07.2023, enthält lediglich rudimentäre Regelungen zur Vertretung des Wahlarztes. In § 4 Abs. 2 GOÄ werden für den Katalog der dort aufgeführten Leistungen die Vertretungsmöglichkeiten, wenn diese Leistungen vom Wahlarzt abgerechnet werden, auf den ständigen ärztlichen Vertreter begrenzt. Weitere Regelungen oder gar Begrenzungen der Vertretungsmöglichkeiten des Wahlarztes enthält die bisherige Gebührenordnung für Ärzte nicht. Über §§ 4 Abs. 2 und 5 Abs. 5 GOÄ hinaus gilt daher für die Vertretung des Wahlarztes das allgemeine Vertragsrecht. Was dies konkret bedeutet, hat der Bundesgerichtshof in mehreren Entscheidungen, allen voran im Urteil vom 20.12.2007 – III ZR 325/17 – konkretisiert.

2. Die Vertretungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Die danach bekannte Differenzierung der Vertretungsmöglichkeiten je nach unvorhergesehener und vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes resultiert aus den Anforderungen des allgemeinen Vertragsrechts. Dies führt dazu, dass in der vom Krankenhausträger vorformulierten Wahlleistungsvereinbarung wegen der sich aus dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ergebenden Anforderungen wirksam nur die Vertretung bei unvorhergesehener Verhinderung des Wahlarztes vereinbart werden kann, während es in den Fällen der vorhersehbaren Verhinderung einer individuellen Vertretungsvereinbarung bedarf.

Einen Sonderfall der Vertretungsmöglichkeiten stellt schon jetzt die sog. Wunschvertretung dar (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10.01.2019 – III ZR 325/17 -).

3. Entwurf der neuen GOÄ
Auf dem 129. Deutschen Ärztetag in Leipzig ist die Novellierung der GOÄ beschlossen und die Bundesärztekammer beauftragt worden, den Entwurf zur Einleitung der Novellierung an das Bundesgesundheitsministerium zu übergeben. Mit einem Inkrafttreten der neuen GOÄ ist im Jahr 2026 zu rechnen. Der vom deutschen Ärztetag gebilligte Entwurf der neuen GOÄ enthält Regelungen zur Vertretung des Wahlarztes in § 4 Absätze 2a, 2b und 2c:

a) Nicht vorhersehbare Verhinderung (§ 4 Abs. 2a neu)
Nach dieser Regelung soll sich der Wahlarzt, der aus nicht vorhersehbaren Gründen an der Leistungserbringung gehindert ist, „durch einen einzigen anderen in der Wahlleistungsvereinbarung benannten Arzt desselben Fachgebietes, der die hierfür erforderliche Qualifikation wie der Wahlarzt erfüllt“, vertreten lassen können. Gleichzeitig wird klargestellt, dass eine Vertretung bei Anwesenheit des Wahlarztes am Krankenhausstandort grundsätzlich ausgeschlossen ist. Damit würden Streitfälle der Vergangenheit, ob eine Verhinderung des Wahlarztes dessen Abwesenheit voraussetzt, dahin entschieden, dass von Ausnahmefällen abgesehen die Verhinderung des Wahlarztes im Sinne der Abrechnungsbestimmungen eine „Abwesenheitsverhinderung“ sein muss. Auf den Begriff des „ständigen ärztlichen Vertreters“ verzichtet die Neufassung der GOÄ, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage verbunden wäre.

b) Absehbare Verhinderung (§ 4 Abs. 2 b neu)
In § 4 Abs. 2 b der beabsichtigten Neufassung wird die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Stellvertretung bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes wiedergegeben. Der Entwurf der neuen GOÄ schafft an dieser Stelle eine begrüßenswerte Transparenz im Hinblick auf die bislang schon bestehende Rechtslage, die insoweit nach dem Willen des Deutschen Ärztetages auch künftig fortbestehen soll.

c) Vertretung ohne Verhinderung des Wahlarztes (2c)
In § 4 soll noch folgender Absatz 2 c aufgenommen werden:

„In der Wahlleistungsvereinbarung kann darüber hinaus für die Erbringung von in der Wahlleistungsvereinbarung bestimmten Leistungen des jeweiligen Fachgebietes je ein weiterer Vertretungsarzt benannt werden, der durch seine fachliche Qualifikation und Erfahrung die bestimmten Leistungen über die Voraussetzungen nach Abs. 2 a Satz 1 hinausgehend in besonderer Qualität erbringen kann. Satz 1 gilt auch für Wahlleistungen im Rahmen einer speziellen sektorengleichen Vergütung des Krankenhauses.“

Diese Vertretungsmöglichkeit durch einen „Experten“ ist nicht an eine Verhinderung des Wahlarztes geknüpft. Das Anliegen der Autoren des Entwurfs ist klar: Dem Wahlleistungspatienten soll über diese Bestimmung die Möglichkeit eröffnet werden, sich unabhängig von einer etwaigen Verhinderung des Wahlarztes die Leistungen eines Experten in der Abteilung des Wahlarztes zu sichern. Ob dies rechtstechnisch über die Einordnung dieses Experten als eines weiteren „Vertretungsarztes“ gelungen ist, lässt sich trefflich diskutieren. Wenn die Regelung aber so inkrafttreten sollte, können Ärzte mit entsprechend herausragender Qualifikation für bestimmte in der Wahlleistungsvereinbarung anzugebende Leistungen als Vertretungsarzt benannt und die von diesen Experten erbrachten Leistungen als eigene Leistungen des Wahlarztes abgerechnet werden.

Aus der Sicht der Leistungserbringer ist dies eine zu begrüßende Regelung.

4. Offen und in der Neufassung der GOÄ zumindest bislang nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob nach wie vor eine Wunschvertretung ohne Verhinderung des Wahlarztes noch möglich wäre oder die „Expertenvertretung“ als abschließende Regelung einer Vertretung des Wahlarztes ohne Verhinderung gemeint sein soll. Möglicherweise kommt es hier bis zum Inkrafttreten der Neuregelung noch zu einer Klärung.