von Ernst Jolitz (April 2013)
Auch mündliche Zusagen einer Krankenkasse können Vertrauensschutz begründen.
Es ist ein in der ärztlichen Praxis bekanntes Problem: Der Patient benötigt ein bestimmtes Medikament, das nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört oder außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung („Off-Label“) angewendet werden soll. Der Patient, auf diese Problematik hingewiesen, beruft sich darauf, dass seine Krankenkasse ihm erklärt habe, dass sie die Kosten der Verordnung übernehme. Ein Anruf bei dem entsprechenden Sachbearbeiter der Krankenkasse bestätigt dies. Der Arzt stellt im Vertrauen auf die telefonische Auskunft das Rezept aus. Ein Jahr später erhält er von der Prüfungsstelle für die Wirtschaftlichkeitsprüfung im Hause der KV die Mitteilung, dass die Krankenkasse wegen der Verordnung einen Regressantrag gestellt hat. Der Arzt hat natürlich nichts Schriftliches in der Hand. Die Krankenkasse fühlt sich an die telefonische Auskunft nicht gebunden und beruft sich auf eine Vorschrift im 10. Sozialgesetzbuch, wonach nur schriftliche Zusicherungen rechtsverbindlich sind (§ 34 SGB X). Ein aussichtsloser Fall? Nicht unbedingt, wie ein ganz aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts zeigt (Urteil vom 20.03.2013, B 6 KA 27/12 R).
Zusagen oder Erklärungen der Krankenkasse, dem Versicherten eine bestimmte Leistung zu gewähren oder die Kosten dafür zu übernehmen, unterliegen – so das BSG – keinem gesetzlichen Formerfordernis. Deshalb ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch eine telefonisch übermittelte Zusage einer Krankenkasse, eine Verordnung zu genehmigen, die an sich gesetzlich ausgeschlossen ist (in dem entschiedenen Fall ging es um Wobe Mugos E), einen Vertrauensschutz des Vertragsarztes als Empfänger der Mitteilung begründen kann. Das ist wegen der Tragweite der Erklärung jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall. Aus diesem Grund hat das BSG den Rechtsstreit an die Vorinstanz (LSG Rheinland-Pfalz) zurückverwiesen, um den Sachverhalt weiter aufzuklären.
Fazit: Die mündliche Auskunft des Sachbearbeiters einer Krankenkasse ist nur die zweitbeste Lösung. Bei Zweifeln über die Verordnungsfähigkeit eines Präparats sollte man sich schriftlich an die Krankenkasse wenden und um eine schriftliche Zusage oder eine Genehmigung der Krankenkasse bitten. Bleibt eine solche Zusage aus oder wird sie ausdrücklich verweigert, dann bleibt nur die Verordnung auf einem Privatrezept. Wenn man sich auf eine telefonische Auskunft verlässt, sollte man auf alle Fälle Tag und Uhrzeit des Telefonats, den Namen des Mitarbeiters und dessen Funktion innerhalb der Krankenkasse notieren, ferner den genauen Inhalt des Telefonats, da eine mündliche Zusage wohl nur dann Vertrauensschutz begründet, wenn ein für das Leistungsrecht der Krankenkasse zuständiger Mitarbeiter in Kenntnis der Problematik die Aussage macht, dass im konkreten Fall das fragliche Medikament zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden kann. Vorsicht ist bei Auskünften von Service-Hotlines geboten. Auf deren Aussage wird man sich kaum verlassen können. Gleiches gilt auch für generalisierende Aussagen, die vorrangig den unzufriedenen Versicherten beruhigen sollen. Der übliche Spruch, dass die Krankenkasse die Kosten aller notwendigen Medikamente übernimmt, begründet mit Sicherheit keinen Vertrauensschutz für den verordnenden Arzt.