von Ernst Jolitz (Dezember 2012)
Jeder Vertragsarzt erhält vor dem Honorarbescheid meist zu Quartalbeginn einen Brief seiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV), in dem ihm sein „Honorarbudget“ mitgeteilt wird. Dieses Honorarbudget kann ein Individualbudget, ein arztgruppenbezogenes Regelleistungsvolumen/ qualitätsgebundenes Zusatzvolumen oder eine andere das Honorar begrenzende Maßnahme sein. Bei den Briefen der KV handelt es sich in aller Regel um einen Bescheid, also um einen Verwaltungsakt, gegen den der Widerspruch und bei Zurückweisung des Widerspruchs die Klage vor dem Sozialgericht gegeben ist. In diesem Zusammenhang beschäftigt die Sozialgerichte die Frage, ob die Klage gegen einen Bescheid der KV über die Höhe des Honorarbudgets oder eine andere „vor die Klammer gezogene“ Abrechnungsfrage (z.B. die Klärung der Fachfremdheit von Leistungen) noch zulässig ist, wenn der Vertragsarzt es unterlassen hat, gegen den eigentlichen Honorarbescheid, der ca. ein halbes Jahr später ergangen ist, Widerspruch einzulegen. Hierzu gab es in der Vergangenheit widersprüchliche Aussagen des Bundessozialgerichts (BSG). Nach einer älteren Entscheidung des BSG hatte die KV im Falle der Erhöhung des Honorarbudgets den späteren Honorarbescheid entsprechend nachzubessern. Das Ermessen, dass der KV bei der Nachbesserung bestandskräftiger Honorarbescheide zusteht, sei – so das BSG – zugunsten des Vertragsarztes auszuüben (Urteil vom 22.03.2006, Aktenzeichen B 6 KA 80/04 R). In der Folgezeit hat sich dann das BSG in mehreren Entscheidungen allmählich von dieser Rechtssprechung verabschiedet und judiziert, dass einer Klage gegen den Bescheid über das Honorarbudget oder andere „vor die Klammer“ gezogene Abrechnungsfragen das sogenannte Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Honorarbescheid bestandskräftig geworden ist, weil kein Widerspruch gegen diesen eingelegt wurde. Allerdings hatte sich das BSG nicht ausdrücklich von seinem Urteil aus dem Jahr 2006 distanziert, was zu Irritationen geführt hat.
In einem neuen Urteil hat das BSG nun Rechtsklarheit geschaffen. Danach ist eine gerichtliche Klärung von gesonderten Feststellungen der Honorarfestsetzung (Bemessungsgrundlagen, Budgets, RLV/QZV etc.) nur solange möglich, wie der Quartalhonorarbescheid noch nicht bestandskräftig ist (Urteil vom 15.08.2012, Aktenzeichen B 6 KA 38/11 R). Das bedeutet, dass der Vertragsarzt Widerspruch gegen den Honorarbescheid einlegen muss, wenn er die Höhe seines Budgets oder die Frage der Budgetberechnung gerichtlich klären lassen will. Allerdings hat das BSG, wie sich aus der seit kurzem vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung ergibt, zwei kleine Hintertüren für die Vertragsärzte offen gelassen, die keinen Widerspruch gegen den Honorarbescheid eingelegt haben. So bedarf es keines Widerspruchs, wenn die KV (öffentlich oder individuell) mitgeteilt hat, dass sie ggf. eine Erhöhung des Honorarbudgets automatisch bei der Honorarfestsetzung berücksichtigt. Zum zweiten müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen prüfen, ob Vertragsärzte nicht im Vertrauen auf die frühere Rechtsprechung von einer Einlegung des Widerspruchs gegen den Honorarbescheid abgesehen haben, weil sie angenommen haben, der Widerspruch gegen den Budgetbescheid sei ausreichend.
Fazit: Ab sofort muss bei Streitigkeiten über die Höhe des Honorarbudgets unbedingt Widerspruch gegen den Honorarbescheid eingelegt werden. Bei Widersprüchen/Klagen gegen Budgetbescheide früherer Zeiträume sollte man prüfen lassen, ob im Lichte des neuen BSG-Urteils der Honorarbescheide tatsächlich bestandskräftig worden sind. Möglicherweise gibt es auch dann noch eine Chance, wenn gegen den Honorarbescheid kein Widerspruch eingelegt wurde.