Von Christiane Werle
Gesundheitspolitik hat sich schon vor vielen Jahren das Ziel gesetzt, die ambulante und stationäre Leistungserbringung besser zu verzahnen. Begleitet wird dieses Bemühen von zahlreichen Gesetzesinitiativen auf der einen Seite und gerade in den letzten Monaten auch von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wegen der vermuteten Zahlung von Entgelten an niedergelassene Ärzte für Krankenhauseinweisungen und wegen damit zusammenhängendem Abrechnungsbetrug. Dass ein niedergelassener Arzt kein Geld dafür verlangen oder entgegennehmen darf, dass er seine Patienten einem bestimmten Krankenhaus zuführt, ist allgemein bekannt. Gleichwohl wird immer wieder in Einzelfällen der Verdacht geäußert, dass Ärzte und Krankenhaus in bestimmten Kooperationen im Einzel- fall gegen dieses Verbot verstoßen.
Gerichte haben mehrfach entschieden, dass ein Krankenhaus den Kern seiner Leistungen nur mit angestellten Ärzten erbringen darf. Was bedeutet das für die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern? Wo sind die Grenzen des Erlaubten? Wo wird die Grenze zur verbotenen Zuweisung gegen Entgelt überschritten?
Eine Kooperation zwischen Arzt und Krankenhaus kann außer in Verträgen über Integrierte Versorgung nach den §§ 140a ff SGB V auch organisiert werden in dreiseitigen Verträgen nach § 115 SBG V, bei der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus nach § 115a SGB V, bei ambulantem Operieren im Krankenhaus nach § 115b SGB V, bei Arzneimitteltherapien nach Krankenhausbehandlung nach § 115c SGB V, bei der ambulanten Behandlung durch Krankenhausärzte nach §§ 116 und 116a SGB V, bei der ambu- lanten spezialfachärztlichen Versorgung nach § 116b SGB V und im Übrigen immer da, wo ein Krankenhaus mit niedergelassenen Ärzten zusammenarbeitet und diese bei der eigenen Leistungserbringung und Versorgung der stationären Patienten einsetzt.
Die aktuelle Diskussion beschäftigt sich insbesondere mit dem Einsatz von niedergelassenen Vertragsärzten beim ambulanten Operieren im Krankenhaus und mit dem Einsatz von niedergelassenen Vertragsärzten bei der Versorgung stationärer Patienten im Krankenhaus, wenn der Arzt nicht im Krankenhaus angestellt ist.
Für das ambulante Operieren im Krankenhaus gibt es seit den 2000er Jahren auf Basis des § 115 b SGB V den „Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V – Ambulantes Operieren und sonstige stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus“ (AOP-Vertrag zwischen GKV- Spitzenverband, Deutscher Krankenhausgesellschaft e.V. Kassenärztlicher Bundesvereinigung).
Der Vertrag soll dazu dienen, „einheitliche Rahmenbedingungen zur Durchführung ambu- lanter Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe im niedergelassenen Be- reich und im Krankenhaus zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Vertragsärzten und Krankenhäusern zu fördern.“ In dem AOP-Vertrag steht:
- dass sich die Parteien bewusst sind, dass die Leistungserbringung nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu erfolgen hat,
- dass „Eingriffe … in der Regel auf Veranlassung eines niedergelassenen Vertragsarztes unter Verwendung eines Überweisungsscheines durchgeführt werden sollen,
- dass der überweisende Arzt dem den Eingriff durchführenden Arzt die im Zusammenhang mit dem vorgesehenen eingriff bedeutsamen Unterlagen zur Verfügung stellt,dass für fachgebietsbezogene Leistungen, die vom Krankenhaus nicht erbracht werden können, der Krankenhausarzt den Patienten an einen niedergelassenen Vertragsarzt, einen ermächtigten Krankenhausarzt … überweisen soll.
Das Bundessozialgericht (BSG) entschied durch Urteil vom 23.03.2011 (BSG, B 6 KA 11/10), dass im Hinblick auf das ambulante Operieren nach § 115b SGB V nur bestimmte Kooperationsformen zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten und den Kranken- häusern erlaubt sind. Es stützte seine Entscheidung u.a. auf den AOP-Vertrag. Dieser un- terschied in seiner zum Zeitpunkt des Urteils des BSG gültigen Fassung
- zwischen dem Fall, in dem ein Operateur den Eingriff mit dem Anästhesisten des Krankenhauses durchführt
- und dem Fall, in dem die Leistung durch einen belegärztlichen tätigen Vertragsarzt erbracht wird und das Krankenhaus nur die Anästhesieleistung erbringt.
Das BSG schloss daraus, dass auf Grund dieser Unterscheidung nur entweder das eine oder das andere in einem Kooperationsvertrag vereinbart werden dürfe. Als Operateur tauglich sei danach nur der angestellte Krankenhausarzt, weil für den niedergelassenen Vertragsarzt ja die belegärztliche Tätigkeit vorgesehen ist. Kooperationsformen, nach denen ein Vertragsarzt, ohne im Krankenhaus angestellt zu sein, als freier Mitarbeiter für das Krankenhaus arbeitet, waren damit verboten. Wer alternative Kooperationen verein- barte oder vereinbart hatte, dem drohten Regresse und Strafverfahren.
Das bedeutete das Ende für viele bereits über lange Zeit praktizierte Kooperationen zwi- schen Krankenhäusern und Vertragsärzten. So mancher Kooperationsvertrag wurde des- halb bereits in ein Angestelltenverhältnis umgewandelt.
Mit der Neufassung des SGB V zum 1. Januar 2012 und des AOP-Vertrages zum 1. Juni 2012 wurde deutlich, dass das BSG mit seinem Urteil nicht das ausgesprochen hatte, was der Gesetzgeber regeln wollte und was die Parteien des AOP-Vertrages vereinbaren woll- ten.
In § 115b SGB V findet sich jetzt der Satz: „In der Vereinbarung ist vorzusehen, dass die Leistungen … auch auf der Grundlage einer vertraglichen Zusammenarbeit des Kranken- hauses mit niedergelassenen Vertragsärzten ambulant im Krankenhaus erbracht werden können.“
In der angesprochenen Vereinbarung, dem AOP-Vertrag, steht seit dem 1. Juni 2012
Krankenhäuser können die … ambulant durchführbaren Operationen und sonsti- gen stationsersetzenden Eingriffe und anästhesiologischen Leistungen/Narkosen auch auf der Grundlage einer vertraglichen Zusammenarbeit des Krankenhauses mit niedergelassenen Vertragsärzten ambulant im Krankenhaus erbringen.
Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen Arzt und Krankenhaus wurde nicht auf be- stimmte Kooperationsformen beschränkt.
Welche Kooperationsform sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Wichtig ist, dass die Kooperation zwischen niedergelassenem Arzt und Krankenhaus so ausgestaltet wer- den darf, dass der niedergelassene Vertragsarzt in den Räumen des Krankenhauses tätig wird. Offen bleibt, ob diese umfassenden Überarbeitungen dazu führen, dass das BSG bei einer späteren Entscheidung seine oben zitierte Rechtsprechung ändert.
Anlass für Entscheidungen eines Gerichts in dieser Frage sind oft die Vergütung der nach dem AOP-Vertrag erbrachten Leistungen durch die Krankenkassen und die Verträge über die Vergütung des Vertragsarztes durch das Krankenhaus. Ob zur Vergütung des Ver- tragsarztes ein Pauschalhonorar, ein Stundenhonorar, ein leistungsbezogenes Honorar oder gar ein monatliches Gehalt vereinbart werden muss, darüber bestand und besteht immer wieder Streit, über den dann auch die Gerichte entscheiden sollten und sollen.
Neben der Grundsatzfrage, ob es ohne Anstellung überhaupt geht, wurde immer wieder gestritten, ob die gewählte Vergütung nicht unangemessen sei, weil sie nach Art und Hö- he für die vom Arzt erbrachte Leistung nicht passe. Eine solche Vergütung wird dann schnell als Zuweisungsentgelt, also als „Kick-back“ angesehen.
Früher musste der Vertragsarzt noch sehr genau darauf achten, dass er nicht über die erlaubte Zeit hinaus eine Nebentätigkeit ausübte. Erlaubt waren neben der Tätigkeit als Vertragsarzt mit vollem Versorgungsauftrag bis zu 13 Stunden Nebentätigkeit. So sahen es jedenfalls die Gerichte und die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Heute nach den Neuregelungen durch das Versorgungsstrukturgesetz gilt, dass Tätigkei- ten, die ein Vertragsarzt neben seiner vertragsärztlichen Tätigkeit ausübt, generell nicht dazu führen dürfen, dass er seinen Patienten an seinem Vertragsarztsitz nicht mehr aus- reichend persönlich zur Verfügung steht. Das zeitliche Limit von 13 Wochenstunden gibt es so nicht mehr. Die Tätigkeit für ein Krankenhaus zur Erbringung von Leistungen nach dem AOP-Vertrag darf nicht verhindern, dass der niedergelassene Vertragsarzt während der üblichen Zeiten Sprechstunden keine Zeit für seine normalen Patienten hat.
Wer alles beachtet, kann auch in Zukunft unbesorgt als Vertragsarzt mit einem Kranken- haus kooperieren und auch ohne Anstellungsvertrag Leistungen für Patienten des Krankenhauses erbringen.