Die Befreiung von der Maskenpflicht und das Ausstellen un-richtiger Gesundheitszeugnisse

RA Dr. Florian Wolf und stud. iur. Lorena Martus

1. Einleitung

Im Wege der aktuellen Covid-19-Pandemie rückte das Medizin- und Gesundheitswesen so stark in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Diskussion wie selten zuvor.

Helden des Alltags“, „systemrelevant“ und „­­­­Lebensretter“ waren nur einige der medienbestimmenden Begriffe, die das Personal des Gesundheitswesens beschreiben sollten.

Nach fünf Monaten Solidarität, Rücksichtnahme und Disziplin wird nun auf vorsichtige Weise ein Weg in die neue Normalität gewagt.

Dabei ist die Pflicht zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes in der Öffentlichkeit eine der wenigen Schutzmaßnahmen, die weiterhin bestehen bleiben.

Doch das Verständnis und die Solidarität innerhalb der Bevölkerung gehen zurück – Demonstrationen gegen die „Corona-Beschränkungen“ und Verweigerer der Maskenpflicht werden immer lauter.

So sehen sich auch Ärzte immer häufiger mit der Bitte ihrer Patienten konfrontiert, ohne ärztliche Untersuchung oder konkrete Symptome ein medizinisches Attest zur Befreiung der Maskenpflicht auszustellen.

Das führt aber schnell zu Problemen für den behandelnden Arzt, denn das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse ist nach § 278 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar und kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.

Doch die Problematik dieser „Gefälligkeitsatteste“ ist keine Erscheinung der Corona-Pandemie, sondern bereits in vielen anderen Bereichen verwurzelt.

Sowohl das Ausstellen eines Attests für einen Studenten, damit dieser eine anspruchsvolle Klausur verschieben kann oder die unrichtige Bescheinigung über die Misshandlung eines Kindes im Rahmen eines Sorgerechtsprozesses sind Ausprägungen des unrichtigen Gesundheitszeugnisses. Auch die Bitte eines Patienten, welcher seinen Urlaub aus privaten Gründen nicht antreten konnte, zur Bescheinigung einer Magen-Darm-Erkrankung durch den Hausarzt, ist eine typische Konstellation der Gefälligkeitsatteste und in der Praxis schon seit längerem eine bekannte Problematik. 

Daher wollen wir im Folgenden genauer beleuchten, unter welchen Voraussetzungen sich der behandelnde Arzt beim Ausstellen von unrichtigen Gesundheitszeugnissen nach § 278 StGB strafbar macht.

2. Tatbestand

a) Begriff des Gesundheitszeugnisses

Der Tatbestand des § 278 StGB stellt das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse unter Strafe.

Unter dem Begriff des Gesundheitszeugnisses versteht man dabei die Erklärung über die jetzige, frühere oder voraussichtlich künftige Gesundheit eines Menschen. Das heißt, es werden nicht nur Zeugnisse über den gegenwärtigen Gesundheitszustand, sondern auch solche über früher durchlebte Krankheiten und die dadurch entstandenen Folgeschäden, sowie Zeugnisse über die Aussichten, von gewissen Krankheiten befallen zu werden, erfasst.

b) Unrichtigkeit des Gesundheitszeugnisses

Zudem muss das Gesundheitszeugnis inhaltlich unrichtig sein.

Ein Gesundheitszeugnis ist unrichtig i.S.d. § 278 StGB, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen oder dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft stehen.

Dies ist der Fall, wenn das Gesundheitszeugnis zwar den Gesamtbefund richtig wiedergibt, es aber falsche, erdichtete oder verfälschte Einzelbefunde enthält.

Ein Gesundheitszeugnis ist ebenfalls unrichtig, wenn es über einen Befund ausgestellt wird, ohne dass die erforderliche Untersuchung stattgefunden hat. Denn es gehört zu den primären Aufgaben des Arztes, sich von den Beschwerden seiner Patienten ein eigenes Bild zu machen und die Angaben des Patienten oder Dritter nicht blind zu übernehmen. Vielmehr muss er seine Befunde und Diagnosen nach einer eingehenden Anamnese und Untersuchung selbst erheben.

Jedoch führt eine fehlende Untersuchung nicht in jedem Fall zur Fehlerhaftigkeit des Zeugnisses. Wird eine Untersuchung unterlassen, die lediglich eine zusätzliche Beurteilungsgrundlage für die Diagnose gegeben hätte, so führt dies noch nicht zu einer inhaltlichen Unrichtigkeit. Ein im Ergebnis richtiges Zeugnis wird also nicht schon daher unrichtig, weil der behandelnde Arzt nicht alle medizinisch indizierten Untersuchungsmethoden angewandt oder aufgrund der Anamnese auf vertiefenden Untersuchungen verzichtet hat.

Vielmehr kommt es darauf an, welches Maß an Genauigkeit nach der konkreten Sachlage geboten ist. So kann eine körperliche Untersuchung oder genaue Befragung auch entbehrlich sein, wenn es sich nach der Art der Erkrankung oder der seelischen Verfassung des Patienten verbietet, eine solche Untersuchung durchzuführen. Eine Ausnahme wird auch dann angenommen, wenn sich der Arzt von einem als vertrauenswürdig und verständig bekannten Patienten dessen Beschwerden anschaulich schildern lässt und die Symptome widerspruchsfrei zu einem bestimmten Krankheitsbild passen. Lediglich in solchen Fällen ist auch die Ausstellung eines Attests auf Basis eines Telefonats denkbar.

In diesen Fällen, ebenso wie bei allen Bescheinigungen in Folge eines Telefonats, ist es dem behandelnden Arzt in seinem eigenen Interesse zu empfehlen, diese Umstände auf dem Attest zu vermerken.

c) Zweck

Eine Strafbarkeit kommt ferner nur in Betracht, wenn die Ausstellung zu einem bestimmten Zweck erfolgt ist. Hierbei muss nach § 278 StGB das unrichtige Gesundheitszeugnis zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft ausgestellt worden sein. Unter den Begriff der Behörde fallen insbesondere gesetzliche Krankenkassen und Berufsgenossenschaften. Der Tatbestand ist dabei schon erfüllt, sobald der Arzt die Bescheinigung mit dem darauf erklärten Inhalt unterzeichnet und die Möglichkeit besteht, dass dieses Zeugnis zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorgelegt wird.

d) Ergebnis

Beim Ausstellen von Attesten zur Befreiung der Maskenpflicht ist demnach Vorsicht geboten. Ein derartiges Attest enthält nämlich eine Erklärung über den Gesundheitszustand des Patienten und stellt somit ein Gesundheitszeugnis dar.

Stellt der Arzt nun ein solches Befreiungsattest aus, ohne den Patienten vorher konkret untersucht zu haben oder bescheinigt er Symptome, welche tatsächlich nicht vorliegen, ist das Gesundheitszeugnis auch inhaltlich unrichtig.

Problematisch könnte in dieser Konstellation nur das Merkmal des Verwendungszwecks sein. Jedoch ist zu beachten, dass ein Befreiungsattest auch schon dann bei einer Behörde vorgelegt oder gebraucht wird, wenn sich der Patient in der Öffentlichkeit weigert, den Mund-Nasen-Schutz zu tragen und daraufhin die Polizei gerufen und das Attest vorgezeigt wird. Da aber das ärztliche Befreiungsattest für Corona-Masken regelmäßig explizit für solche Situationen ausgestellt wird, ist auch das Tatbestandsmerkmal des Ausstellens zum Gebrauch bei einer Behörde erfüllt.

Demnach macht sich der Arzt, welcher ohne ärztliche Indikation oder gar ohne vorherige Untersuchung ein Befreiungsattest für die Corona-Maskenpflicht ausstellt, gem. § 278 StGB wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse strafbar.

Welchen weiteren rechtlichen Konsequenzen sich der Arzt aufgrund seines Handelns dann ausgesetzt sieht, wird nun im Folgenden erörtert.

3. Rechtliche Konsequenzen

Die Folgen von ausgestellten „Gefälligkeitsattesten“ sind weitreichend und greifen in verschiedene Berufs- und Lebensbereiche ein.

Hinzu kommt, dass bereits der Verdacht, dass vermehrt unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt werden und es die Ärzteschaft mit ihren Berufspflichten nicht (mehr) zu genau nimmt, zur Diskreditierung des gesamten Berufsstands führen kann.

Behörden wie Krankenkassen und Gerichte verlassen sich (noch) auf die Richtigkeit der ihnen vorgelegten Gesundheitszeugnisse, da sich aus dem Berufsethos des Arztes und aus der Strafbewehrung unrichtiger Atteste ein erster Anschein für deren Richtigkeit ergibt.

Eine zunehmende Anzahl unrichtig ausgestellter Zeugnisse wird jedoch dazu führen, dass Behörden und die Justiz ärztlichen Bescheinigungen kritischer gegenüberstehen und diese häufiger hinterfragen.

a) Strafbarkeit nach § 278 StGB

Wie bereits erwähnt, stellt das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse einen Straftatbestand dar und kann mit Freiheits- oder Geldstrafe bestraft werden. Demnach hat der betroffene Arzt auch während der Ermittlungen mit erheblichen Beeinträchtigungen, wie z.B. einer Hausdurchsuchung und der Beschlagnahme der Krankenunterlagen zu rechnen.

Dabei ist zu befürchten, dass die Strafverfolgungsbehörden wenig Milde walten lassen. Die Zuverlässigkeit ärztlicher Atteste erleichtert Behörden, Versicherungen und der Justiz die Arbeit ungemein. Aufwendige Gutachten, die auch den Patienten durch vielfältige, wiederholte Untersuchungen belasten würden, sind oft unnötig, wenn ein Gesundheitszeugnis vorliegt. Die Justiz einschließlich der Staatsanwaltschaft hat daher ein hohes Eigeninteresse, die Integrität ärztlicher Gesundheitszeugnisse zu schützen und mit auch abschreckenden Maßnahmen gegen Verstöße vorzugehen.

b) Berufsrechtliche Konsequenzen und Approbation

Aber es stehen neben strafrechtliche Konsequenzen auch berufsrechtliche Konsequenzen im Raum. Gem. § 25 der Berufsordnung der Ärzte Baden-Württemberg und gleichlautend in § 25 S. 1 der Musterberufsordnung haben Ärzte und Ärztinnen bei der Ausstellung ärztlicher Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen.

Hier muss der betroffene Arzt zunächst mit berufsgerichtlichen Maßnahmen wie einer Warnung oder einem Verweis rechnen. Gem. § 58 Nr. 3 des Heilberufe- und Kammergesetzes (HKaG) ist z.B. in Baden-Württemberg auch eine Geldbuße von bis zu 50.000 Euro möglich.

Ärzte, die in das Vertragsarztsystem der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden sind, können sich zudem einem Disziplinarverfahren ausgesetzt sehen. Derartige Maßnahmen können ebenfalls Verwarnungen, Verweise, Geldbuße bis zu 50.000 Euro und die Anordnung des Ruhens der vertragsärztlichen Zulassung sein. Die endgültige Entziehung der Kassenarztzulassung kommt aber nur in wenigen Fällen und ausschließlich bei sehr schweren Verstößen in Betracht.

Gem. § 5 II 1 BÄO ist die Approbation dann zu widerrufen, wenn sich der Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zum Ausüben des ärztlichen Berufes ergibt. Ein Ruhen der Approbation kommt gem. § 6 I Nr. 1 BÄO in Betracht, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat ein Strafverfahren eingeleitet ist, aus der sich diese Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit ergeben kann.

Bei dem Begriff der „Unzuverlässigkeit“ handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal mit einem prognostischen Element, bei dem es also darauf ankommt, wie sich der Arzt in der Zukunft verhalten wird. Bei beharrlichen Verstößen gegen Strafvorschriften liegt eine schlechte Prognose nahe, was im Wiederholungsfall zum Entzug der Approbation führen kann. Ein Verlust oder Ruhen der Approbation ist bei Ersttätern hingegen unwahrscheinlich.

c) Zivil- und arbeitsrechtliche Folgen

Stellt ein angestellter Arzt unrichtige Zeugnisse aus, droht ihm neben dem Ermittlungsverfahren zudem der Verlust der Arbeitsstelle, da dieses Verhalten einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses darstellt.

Ferner muss der betroffene Arzt beachten, dass er sich durch sein Handeln gegenüber dem Arbeitgeber und der Krankenkasse schadensersatzpflichtig gemacht hat, wenn er die unrichtigen Zeugnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig ausgestellt hat, § 106 IIIa SGB V.

d) Beispiel: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per WhatsApp

Dass nicht alle ärztlichen Gesundheitszeugnisse uneingeschränkt akzeptiert werden müssen, zeigt sich am Beispiel der Online-Krankmeldungen über WhatsApp. Dabei verspricht ein neues Start-Up-Unternehmen Online-Krankmeldungen für ein bis drei Tage, die gegen eine Gebühr von neun Euro per WhatsApp und anschließend per Post versendet werden. Der Patient muss lediglich einen Online-Fragebogen zu seinen Symptomen und seinem Gesundheitszustand ausfüllen, woraufhin ein Arzt auf Basis dieser Angaben eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung online ausstellt.

Das Landgericht Hamburg hat in diesen Fällen entschieden, dass auch dieses digitale Ausstellen von Gesundheitszeugnissen ohne körperliche Untersuchung gegen das ärztliche Berufsrecht verstößt und möglicherweise auch eine Strafbarkeit nach § 278 StGB in Betracht kommt. Demnach können Arbeitgeber derart vorlegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit Erfolg anzweifeln.

Dies hat dann auch mittelbare Folgen für den Arbeitnehmer. Möchte er im Fall der Krankheit seinen Lohn weiterhin bezahlt bekommen, muss er dem Arbeitgeber die Krankheit nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) unverzüglich mitteilen und eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Kann diese (Online-) Bescheinigung aber aufgrund des Verstoßes gegen Berufs- und Wettbewerbsrecht vom Arbeitgeber angezweifelt werden, entstehen Unsicherheiten und es besteht die Gefahr eines Lohnausfalls.

Fazit

Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse und die daraus resultierende Strafbarkeit gem. § 278 StGB ist eine ernstzunehmende Problematik für behandelnde Ärzte. Aufgrund der damit verbundenen Risiken lohnt sich das Ausstellen von Gefälligkeitsattesten nicht.