Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit

von Petra Baumgartl (Juli 2012)

Danke Bundesgerichtshof (BGH). Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofes hat ein klares Wort gesprochen: Nach geltendem Recht ist es nicht strafbar, wenn ein Kassenarzt oder seine Mitarbeiter sich korruptiv verhalten. Wenn der Gesetzgeber ein solches Verhalten strafbar machen wolle, so wäre es seine Aufgabe, dies durch ein Gesetz zum Ausdruck zu bringen.

Korruptives Verhalten eines Kassenarztes ist aber gleichwohl nicht unproblematisch. Das Strafrecht ist der letzte Schutzwall des Rechtsstaates vor unerwünschtem Verhalten einzelner. Auf anderen Ebenen gibt es andere Regeln, die auch dafür sorgen, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht um sich greifen. Dazu gehören Regeln in SGB V, das allgemein die Rechte und Pflichten von Kassenärzten regelt, und Regeln der Berufsordnung.

Dem BGH lag ein Fall vor, in dem ein Pharmaunternehmen ein „Prämiensystem“ geschaffen hatte, wonach die Ärzte, die Medikamente des Pharmaunternehmens verschrieben, vom Pharmaunter- nehmen 5% des Herstellerabgabenpreises für die verschriebenen Medikamente erhielten. Nach Auf- fassung der Staatsanwaltschaft war der angeklagte Vertragsarzt „Amtsträger“, der bei seiner Ver- schreibungspraxis die Interessen der gesetzlichen Krankenkassen zu wahren hatte und deshalb taug- liches Objekt für eine Bestechung. Seitdem die Kausa unter Kassenärzten bekannt geworden war, ging das Gespenst der strafbaren Bestechlichkeit um, das teilweise auch von Krankenkassen, von Kassenärztlichen Vereinigungen und auch von anderen Stellen als Bedrohung des Kassenarztes be- schworen wurde. Damit ist nun Schluss. Der BGH sieht keine Strafbarkeit. Nach Auffassung des BGH hat der Kassenarzt bei seiner Verschreibungspraxis ohnehin nicht die Interessen der Kostenträger oder der Krankenkassen im Vordergrund zu sehen und zu vertreten, sondern vorrangig und allein die Interessen seines Patienten. Der Kassenarzt hat innerhalb des personal geprägten Vertrauensver- hältnisses zwischen ihm und dem Versicherten die Verordnung allein nach seiner aus § 1 der Bundes- ärzteordnung folgenden Verpflichtung auszurichten:

§1 Bundesärzteordnung lautet:

(1) Der Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes.

(2) Der ärztliche Beruf ist kein Gewerbe; er ist seiner Natur nach ein freier Beruf.

So einfach ist das manchmal.

Strafbar war es deshalb nicht, wenn der Kassenarzt für die von ihm verordneten Medikamente von dem Pharmaunternehmen Schecks im Gesamtwert von rund 18.000 Euro entgegennahm. Zwar hatte das das Landgericht Hamburg noch anders gesehen. Der BGH hat aber jetzt den verurteilten Arzt und die Pharmareferentin gleich mit freigesprochen.

Es bleibt aber dabei, dass jeder Arzt die für ihn geltende Berufsordnung zu beachten hat und jeder Kassenarzt das SGB V.

In den Berufsordnungen der einzelnen Ärztekammern finden sich Regeln wie:

Ärztliche Unabhängigkeit

Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, in allen vertraglichen und sonstigen beruflichen Be- ziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patientinnen und Patienten zu wahren.

und

Unerlaubte Zuwendungen

Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder Anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten ver- sprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.

Wer sich nicht daran hält, der riskiert ein berufsrechtliches Verfahren, das kann mit einem Verweis, einer Geldstrafe aber auch mit dem Entzug der Approbation enden.

Für Kassenärzte heißt es in § 73 SGB V:

Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten ein Entgelt oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. § 128 Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

und in § 128 SGB V:

Leistungserbringer dürfen Vertragsärzte sowie Ärzte in Krankenhäusern und anderen medi- zinischen Einrichtungen nicht gegen Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile an der Durchführung der Versorgung mit Hilfsmitteln beteiligen oder solche Zu- wendungen im Zusammenhang mit der Verordnung von Hilfsmitteln gewähren. Unzulässig ist ferner die Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen, die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmitteln von Vertragsärzten erbracht werden, durch Lei- stungserbringer. Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die unentgeltli- che oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien und Durchführung von Schu- lungsmaßnahmen, die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür sowie Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungs- erbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.

Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße gegen die Verbote nach den Absätzen 1 und 2 angemessen geahndet werden. Für den Fall schwerwiegender und wie- derholter Verstöße ist vorzusehen, dass Leistungserbringer für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung der Versicherten ausgeschlossen werden können.

Gerade die letzte Regelung kann existenzbedrohend werden. Immer wieder wird auch seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen angenommen, dass Vorteile, die der Kassenarzt entgegen diesen Regelungen erhält, deshalb, weil damit ja ein Teil „seines Honorars“ schon bezahlt ist, eigentlich an die Krankenkassen abzuführen sind. Dann wird es auch finanziell unangenehm. Weg ist auch der vermeintliche wirtschaftliche Vorteil.

Es bleibt dabei: Es ist gut, dass die Strafbarkeit vom Tisch ist. Gleichwohl muss genau überlegt wer- den, was sich der Kassenarzt über das ihm von den Krankenkassen bzw. der Kassenärztlichen Verei- nigung mehr oder weniger großzügig gewährte Honorar hinaus von anderen noch bezahlen lässt. Hier ist guter Rat wichtig. Als Anwälte, die sich überwiegend mit den rechtlichen Belangen von Ärzten beschäftigen, stehen wir gerne dafür zur Verfügung. Manches ist erlaubt, was verboten scheint. Da geht es manchem Berater so, wie dem Landgericht Hamburg angesichts der Entscheidung des BGH mit der Strafbarkeit. Vieles ist aber auch unzulässig, obwohl mancher es gerne umsetzen würde oder vielleicht schon – alles riskierend – umgesetzt hat.