Neue vertragsärztliche Pflicht zur Berufshaftpflichtversicherung – § 95e SGB V

RAin Natalie Köhler

Der Abschluss einer hinreichenden Berufshaftpflichtversicherung (BHV) stellte bereits eine berufsrechtliche Pflicht für Vertragsärzte und angestellte Ärzte dar. Nun wurde diese durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) und die damit verbundene Einfügung des § 95e SGB V zu einer vertragsärztlichen Pflicht erhoben. Dadurch soll sichergestellt werden, dass aufgrund von Behandlungsfehlern entstandene Schadensersatzansprüche von Versicherten nicht wegen unzureichenden oder fehlenden Haftpflichtversicherungsschutzes und Zahlungsunfähigkeit von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten ins Leere laufen. Das nun in § 95e SGB V geregelte standardisierte Verfahren führt nicht nur zu mehr bürokratischem Aufwand, sondern bei Fehlen einer angemessenen BHV im schlimmsten Falle zum Ruhen oder Entzug der Zulassung und zu anderen berufsrechtlichen Sanktionen.

Mindestversicherungssumme

Gemäß § 95e Abs. 1 SGB ist der Vertragsarzt verpflichtet, sich ausreichend gegen die sich aus seiner Berufsausübung ergebenden Haftpflichtgefahren zu versichern. Als Mindestversicherungssumme wird der Betrag von 3.000.000,00 € für jeden Versicherungsfall festgelegt, der durch Vereinbarungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen auch erhöht werden kann. Dabei dürfen die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Jahres verursachten Schäden nicht weiter als auf den zweifachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden. Wichtig ist zudem, dass es sich bei diesem Betrag nur um eine Mindestgrenze handelt, die nicht unterschritten werden darf. Liegt das individuelle Haftungsrisiko eines Arztes höher, muss die Versicherungssumme höher als 3.000.000,00 € sein. Erst dann handelt es sich um eine „ausreichende“ BHV. Dies betrifft erfahrungsgemäß bspw. die Facharztgruppen der Gynäkologen, Humangenetiker und Kinderärzte.

Die soeben genannte Mindestversicherungssumme gilt für Vertragsärzte in Einzelpraxen ohne angestellte Ärzte. Für Berufsausübungsgemeinschaften, medizinische Versorgungszentren und anstellende Ärzte beträgt sie 5.000.000,00 € für jeden Versicherungsfall. Dabei gilt, dass die Leistungen des Versicherers für alle innerhalb eines Jahres verursachten Schäden nicht weiter als auf den dreifachen Betrag der Mindestversicherungssumme begrenzt werden dürfen.

Nachweispflicht

Neu ist die Pflicht, das Bestehen eines ausreichenden BHV-Schutzes nachzuweisen. Dies muss durch eine Versicherungsbescheinigung des Versicherers geschehen, aus der hervorgehen muss, dass der bestehende Versicherungsschutz den Voraussetzungen des § 95e SGBV genügt. Eine vorläufige Deckungszusage reicht hierfür also grundsätzlich nicht aus.

Die Nachweispflicht besteht bei Anträgen auf Zulassung, auf Ermächtigung und auf Genehmigung einer Anstellung. So ist dem Antrag der erforderliche Nachweis direkt beizufügen. In der Übergangsphase, bis die Nachweispflicht auch in die Anträge der Zulassungsausschüsse aufgenommen worden ist, reicht manchen Zulassungsausschüssen zunächst noch die Zusicherung des Vertragsarztes, dass eine ausreichende BHV bestehe, aus. Andere Zulassungsausschüsse lassen dem Arzt derzeit nach Eingang des Antrages einen Vordruck zukommen, mit dem der Versicherer das Bestehen einer BHV mit einer ausreichenden Deckungssumme bestätigt.

Ferner müssen bereits zugelassene Ärzte, medizinische Versorgungszentren, Berufsausübungsgemeinschaften und ermächtigte Ärzte das Bestehen eines ausreichenden Versicherungsschutzes nachweisen, wenn der Zulassungsausschuss sie hierzu auffordert. Das Gesetz sieht vor, dass dies bis zum 20.07.2023 geschieht. Der Nachweis muss innerhalb von drei Monaten vorgelegt werden.

Die Nachweispflicht bezieht sich allerdings nicht nur auf das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses. Auch wenn ein solches nicht besteht, es geändert oder beendet wird, ist dies dem Zulassungsausschuss unverzüglich anzuzeigen.

Folgen eines nicht ausreichenden bzw. fehlenden Nachweises

§ 95e SGB V regelt außerdem die Folgen eines nicht ausreichenden bzw. fehlenden Nachweises. Besteht kein oder kein ausreichender Versicherungsschutz oder endet dieser und kommt der Vertragsarzt der Aufforderung, eine Versicherungsbescheinigung vorzulegen, nicht nach, muss der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung anordnen. Auf diese Folge hat er den Vertragsarzt hinzuweisen. Weist der Vertragsarzt ausreichenden Versicherungsschutz nach, endet das Ruhen der Zulassung. Weist der Vertragsarzt allerdings innerhalb von zwei Jahren nach dem Beschluss, mit dem das Ruhen angeordnet wird, keinen ausreichenden Versicherungsschutz nach, muss der Zulassungsausschuss den Entzug der Zulassung beschließen. Die eindeutige Formulierung lässt dem Zulassungsausschuss keinen Ermessensspielraum. Vielmehr muss er bei Vorliegen der Voraussetzungen diese Maßnahmen ergreifen.

Kommt der Antragsteller der Nachweispflicht nicht nach, kann dies zu Verzögerungen im Antragsverfahren bzw. zu einer Ablehnung des Antrages führen.

Außerdem meldet der Zulassungsausschuss der Kammer, wenn ihr Mitglied keinen ausreichenden Versicherungsschutz vorweisen kann. Es drohen also, je nach Bundesland, auch berufsrechtliche Sanktionen wie Verwarnungen, Rügen oder Geldbußen.