von Ernst Jolitz (März 2013)
Wenn die Honorarverteilung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) rechtswidrig ist – was muss die KV tun, um rechtmäßige Honorarbescheide zu erlassen?
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 6. Februar 2013 festgestellt, dass der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der KV Hamburg für die Quartale II/2005 – IV/2008 rechtswidrig gewesen ist. Das BSG hat die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg bestätigt, welche die KV Hamburg verpflichtete, über das Honorar der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. In den beiden weiteren Verfahren hat die KV Hamburg dann die Revisionen zurückgenommen (B 6 KA 11/12 R, B 6 KA 12/12 R, B 6 KA 13/12 R).
Hintergrund der Entscheidung war, dass die KV Hamburg mit den Krankenkassen einen Honorarverteilungsvertrag abgeschlossen hatte, der eine Budgetierung des Honorars in der Form von Individualbudgets vorsah, obwohl das Gesetz arztgruppenbezogene Regelleistungsvolumina als das Honorar begrenzende Maßnahme verpflichtend vorsah. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts kam nicht ganz überraschend. Bereits mit Urteil vom 14.12.2011 (B 6 KA 6/11) hatte das BSG einen entsprechenden Honorarverteilungsvertrag der KV Nordrhein für rechtswidrig erklärt. Auch ein entsprechender Honorarverteilungsvertrag der KV Sachsen hatte vor den Augen der obersten Sozialrichter keine Gnade gefunden (Urteil vom 09.05.2012, Az. B 6 KA 24/11 R). Den Einwand der KV Hamburg, ihr HVM sei mit den für rechtswidrig befundenen Honorarverteilungsmaßstäben anderer Kassenärztlicher Vereinigungen nicht vergleichbar und die gesetzliche Regelung sei in Hamburg nicht umsetzbar, wies der 6. Senat des BSG entschieden zurück. Einige Kassenärztliche Vereinigungen mit entsprechenden Honorarverteilungsverträgen (z.B. die KV Berlin) haben es nicht so weit kommen lassen und sich bereits vor den Instanzgerichten verpflichtet, über den Honoraranspruch der jeweiligen Klägerinnen und Kläger erneut zu entscheiden und dabei die BSG-Rechtsprechung zu beachten.
Was muss nun die KV tun, um bei der erneuten Entscheidung über das Honorar nunmehr rechtmäßig zu handeln? Da der Fehler nicht bei der Honorarfestsetzung im Einzelfall lag, sondern der mit den Krankenkassen vereinbarte Honorarverteilungsmaßstab rechtswidrig war, muss die KV zunächst diesen „reparieren“. Sie muss für die Vergangenheit einen HVM erlassen, der eine Honorarverteilung auf der Grundlage von arztgruppenbezogenen Regelleistungsvolumen vorsieht und die Berechnung dieser Regelleistungsvolumen sowie deren Erhöhung bei Praxisbesonderheiten regelt. Eine ungeklärte Rechtsfrage ist, ob die KV diesen HVM wiederum mit den Krankenkassen vereinbaren muss oder ob sie aufgrund der Tatsache, dass sie seit dem 01.01.2012 wieder allein über die Honorarverteilung entscheiden kann, den korrigierten HVM im Benehmen mit den Krankenkassen als satzungsähnliches Recht durch Beschluss ihrer Vertreterversammlung verabschieden kann.
Es spricht einiges dafür, dass der für rechtswidrig befundene Honorarverteilungsvertrag nur durch einen nunmehr (hoffentlich) rechtmäßigen Honorarverteilungsvertrag, also mit Zustimmung der Krankenkassen, geheilt werden kann. Jedenfalls muss der korrigierte HVM – ob Vertrag mit den Krankenkassen oder satzungsähnliches Recht – in der satzungsgemäßen Form im Mitteilungsblatt der KV oder im Internet veröffentlicht werden. Unzulässig wäre es, wenn die erneute Entscheidung über den Honorarbescheid allein auf der Grundlage von „Vorstandsrichtlinien“ oder ähnlichen Verwaltungsvorschriften erfolgen würde, wobei es keine Rolle spielt, ob diese veröffentlicht worden sind oder nicht.
Danach muss die KV neue Honorarbescheide erlassen, welche die früheren (rechtswidrigen) Honorarbescheide ersetzen. Die bloße Mitteilung, es habe sich bei der Neuberechnung des Honorars keine Veränderung ergeben ist ebenso unzureichend, wie die Übersendung eines neuen Kontoauszugs. Die KV muss allerdings nur die Vertragsärzte neu bescheiden, deren Honorarbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die, ob die KV bei der erneuten Honorarfestsetzung das Honorar des erfolgreichen Klägers oder der Klägerin auch niedriger festsetzen und dann die Differenz zurückfordern kann, wenn dies das Ergebnis der Neuberechnung des Honorars aufgrund des neuen HVM ist.
Eine solche „Abstrafung“ des Klägers oder der Klägerin ist unzulässig. Hiervor schützt ihn/sie das Verbot der „reformatio in peius“ (Verböserungsverbot). Allerdings hat der Kläger oder die Klägerin auch keinen garantierten Anspruch darauf, bei der Neufestsetzung des Honorars jedenfalls besser gestellt zu werden als zuvor. Unter Umständen muss erneut Widerspruch eingelegt und das Sozialgericht angerufen werden. Vor diesem Hintergrund bieten manche der betroffenen KVen den Klägern einen Vergleich an. Bevor man einen solchen Vergleich jedoch annimmt, sollte man unbedingt einen im Vertragsarztrecht erfahrenen Rechtsanwalt konsultieren.