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Zugewinnausgleich: Vorkehrungen für Scheidungsfälle

Von Dr. Florian Wolf (November 2016)

Lässt sich ein Arzt scheiden, drohen seiner Einzel- oder der Gemeinschaftspraxis oft weitreichende wirtschaftliche Konsequenzen, denn häufig steht ein beträchtlicher Zugewinnausgleich im Raum. Haben die Ehegatten keine anderen Regelungen getroffen, ist derjenige mit dem größeren Vermögenszuwachs seinem Expartner zum finanziellen Ausgleich verpflichtet, was häufig die wirtschaftliche Existenz des Zahlungspflichtigen bedroht.

Die rechtlichen und rechnerischen Grundlagen:

Technisch wird der persönliche Zugewinn jedes Ehepartners während der Ehe ermittelt, also der Wert des Vermögens am Ende der Zugewinngemeinschaft dem Wert des Vermögens zu Beginn der Zugewinngemeinschaft gegenübergestellt, wobei das Anfangs- und Endvermögen immer mindestens 0 ist.

Beispiel:          A bringt ein Vermögen von 10.000,00 € in die Ehe ein. Zum Ende der Zugewinngemeinschaft beträgt der Wert des Vermögens 50.000,00 €. Der Zugewinn beträgt 40.000,00 €.

                        B bringt ebenfalls ein Vermögen von 10.000,00 € in die Ehe ein. Zum Ende der Zugewinngemeinschaft bestehen Verbindlichkeiten in Höhe von 40.000,00 €. Der Zugewinn beträgt aber nicht 50.000,00 €, sondern 0 €.

                        C hat bei der Hochzeit Schulden in Höhe von 10.000,00 €. Das Vermögen zum Ende der Zugewinngemeinschaft beträgt 30.000,00 €. Der Zugewinn beträgt ebenfalls 30.000,00 €.

Die Differenz zwischen dem jeweils erzielten Zugewinn wird den Ehegatten hälftig zugewiesen. Der Partner mit dem höheren Zugewinn hat also den anderen auszuzahlen.

Beispiel:          Sind A und B aus den obigen Beispielen verheiratet, hat A an B 20.000,00 € zu zahlen.

                        Sind A und C verheiratet, hat A lediglich 5.000,00 € zu zahlen.

 

Die Gefahr:

Für die Ermittlung des Zugewinns sind neben den materiellen Werten ebenso die immateriellen Werte von Bedeutung. Neben den gegenständlichen Wirtschaftsgütern ist also bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs auch der „Goodwill“, der immaterielle Praxiswert, zu berücksichtigen. Der Goodwill ist der Wert, der über die gegenständlichen Wirtschaftsgüter der (Gemeinschafts-)Praxis hinaus bei einer Veräußerung der Praxis oder des Gesellschaftsanteils erzielt werden kann. Dabei fließen u. a. der Patientenstamm, Standortfaktoren oder auch der gute Ruf der Praxis ein. Es erhöhen sich also das individuelle Vermögen und damit regelmäßig auch der Ausgleichsanspruch des Ehegatten, was der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bestätigt (zum Beispiel Az. XII ZR 40/09).

Die Frage des Zugewinnausgleichs hat weitreichende Konsequenzen: Der Wert einer Praxis und besonders der Goodwill sind in dieser gebunden und können normalerweise nur bei einer Veräußerung realisiert werden.

Will der Ehepartner seinen Anspruch auf Zugewinnausgleich durchsetzen, hat der Ausgleichspflichtige häufig nicht die zur Begleichung nötigen Mittel zur Hand. Diese zu beschaffen, ist in der Regel nur über einen teuren Kredit oder gar den Verkauf der Praxis oder des Gesellschaftsanteils möglich. So kann der freiberuflich tätige Arzt im Scheidungsfall zum wirtschaftlich unsinnigen und steuerlich belastenden Verkauf gezwungen sein – und das, obwohl die Tätigkeit in der Praxis seine Existenzgrundlage bildet und oft auch die Basis für Unterhaltszahlungen ist. Das ist also für beide Seiten die schlechteste Lösung.

Die Lösung:

Daher empfiehlt es sich, das ausgleichspflichtige Vermögen zwischen den Ehegatten zu begrenzen. Da in der Regel die Vermögensbildung in der Praxis deutlich höher ausfällt als die im Privatbereich, möchten und sollten Ehegatten von dieser Entwicklung aber nicht komplett ausgeschlossen werden. Für die Eheverträge von selbständigen Freiberuflern wird vielfach eine „modifizierte Zugewinngemeinschaft“ vereinbart, bei der die gesetzlichen Regelungen mit individuellen Vereinbarungen ergänzt oder angepasst werden.

Eine Möglichkeit ist, das in der Praxis gebundene Vermögen insgesamt oder auch nur den Goodwill vom Zugewinnausgleich auszuschließen. Zur Vermeidung von Bewertungsstreitigkeiten sollte der Ausgleichsanspruch außerdem klar definiert sein, z. B. angelehnt an einen im Gesellschaftsvertrag fixierten Abfindungsanspruch. Weitere Gestaltungsvarianten sind, den Zugewinnausgleich für den Fall der Scheidung auszuklammern, für den Todesfall aber beizubehalten, oder den Ausgleichsanspruch zu stunden. Im Gegenzug kann für den Ehegatten eine andere Form der Absicherung aufgebaut werden, z.B. in Form einer Lebensversicherung.

Der Abschluss eines Ehevertrages sollte deswegen im Rahmen der Niederlassungsplanung, aber auch bei Änderungen der beruflichen Perspektiven z. B. durch den Einstieg in eine größere Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die Umwandlung der Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder bei der Eröffnung neuer, lukrativer Betätigungsfelder ernsthaft in die Überlegungen einbezogen werden.